Wie entsteht eigentlich Kompetenz?

Was sind Kompetenzen und wie entwickeln sie sich?

Um dieser Frage nachzugehen, können wir hier in Deutschland mal den „Papst“ der Kompetenzen, John Erpenbeck zitieren, der da als „… der Weisheit vorerst letzter Schluss …“ schreibt: „Kompetenzen sind in Entwicklungsprozessen entstandene, generalisierte Selbstorganisationsdispositionen komplexer, adaptiver Systeme – insbesondere menschlicher Individuen – zu reflexivem, kreativem Problemlösungshandeln in Hinblick auf allgemeine Klassen von komplexen, selektiv bedeutsamen Situationen.“ (John Erpenbeck/Lutz von Rosenstiel, 2007, S. XI). Die Grafik zeigt dann sehr anschaulich, was damit gemeint ist.

Kompetenzen sind also viel mehr als Wissen, Fertigkeiten und Qualifikationen. Sie ermöglichen es einem kreativ und erfolgreich Probleme zu lösen.

Das Buch „Handbuch Kompetenzmessung“, ist großartig genauso wie Herr Erpenbeck selbst und beschreibt über 787 Seiten, wie welche Kompetenzen gemessen und eingeschätzt werden können. Doch folgende Grafik war mir viel zugänglicher und hat mir die Augen geöffnet, was den Erwerb von Kompetenzen, und auch Fähigkeiten oder Wissen angeht.

In vier Smileys würde das in etwa so aussehen: 1. Wir sind uns unserer Inkompetenz nicht bewusst, daher geht es uns prima. 2. Wir sind uns unserer Inkompetenz bewusst. Das ist nicht schön und fühlt sich schlecht an. 3. Wir haben gelernt, müssen jedoch noch jeden Schritt mit Bewusstsein erledigen, das ist anstrengend. 4. Wir erledigen das Neugelernte ohne darüber nachdenken zu müssen.

Heute jedoch möchte ich nur über die Erste der vier Kompetenzebenen schreiben.

Die „Unbewusste Inkompetenz“

Um was es geht:

Kennen Sie den? „Wenn du tot bist, weißt du nicht, dass du tot bist. Aber für dein Umfeld ist es hart. Genauso ist es, wenn du blöd bist.“ Dieser Spruch, den ich einmal auf einer Postkarte gefunden habe, beschreibt auf geniale Weise, was gemeint ist.

Liebe Personalverantwortliche, Abteilungsleitende und Führungskräfte, die ihr uns die Teilnehmenden in die Fortbildungen schickt oder empfiehlt. Könntet ihr ihnen nicht vorher schon klarmachen, warum ihr das macht? Oft sind es nämlich die „Geschickten“ Teilnehmenden, die nicht wissen, weshalb sie sich in diesem Raum befinden und was das Thema dann eigentlich mit ihnen zu tun haben soll. Sie sind sich ihrer, von Ihnen festgestellten Inkompetenz, nicht bewusst, was für uns immer wieder mit der Herausforderung verbunden ist, diesen Menschen zu zeigen, warum es schon sinnvoll ist, dass sie sich in diesem Seminar, oder in der momentan stattfindenden Fortbildung befinden.

Keine Sorge, wir Trainierenden, Beratenden und Entwickelnden, haben schon Mittel und Möglichkeiten, die eine geeignete Lernmotivation entstehen lässt, doch ist das immer verbunden, mit einer gewissen „Enttäuschung“ bei denjenigen. Aber dazu gleich mehr.

Wie erzeugt man Bewusste Inkompetenz?

Aus der Lerndidaktik und Lernpsychologie wissen wir, dass das, was wir mit eigenen Händen tun, auch am nachhaltigsten in uns verankert ist. Wenn wir also Menschen zeigen möchten, dass sie gewisse Fähigkeiten, Kompetenzen oder nötiges Wissen noch nicht so intus haben, wie es für ihren Job hilfreich wäre, so ist es nötig, dass diese Menschen das erleben bzw. erfahren, in dem sie es tun, oder eben halt genau nicht tun, weil sie es nicht können.

Ein Beispiel und sein Unterschied:

  • Ein Team einer Produktentwicklungsabteilung tut sich sehr schwer damit, eine richtige Form der Kommunikation zu leben. Die Abteilungsleitung ist sich dieses Umstandes schmerzlich bewusst und bucht, um die Kommunikation zu verbessern, einen Trainer der das bewirken soll. Der Trainer holt sich das Team zusammen und erarbeitet mit ihnen die wichtigen Kommunikationsmodelle, um in ihnen die Fähigkeiten zu wecken und die richtigen Ansätze für gelingende Kommunikation zu vermitteln. Die gezeigten Folien sind gut aufbereitet und der Stoff ist für die Teilnehmenden verständlich und klar. Alle gehen mit dem Gefühl nach Hause, mehr über Kommunikation zu wissen und in Zukunft auch besser kommunizieren zu können. Die Abteilungsleitung und der Trainer sind zufrieden mit dem Tag.

Dasselbe Team, ein anderer Trainer:

  • Der Trainer holt sich das Team zusammen und stellt sie, nachdem er ihnen seine Arbeitsweise vermittelt hat, vor eine gemeinsame, kommunikative Herausforderung. Das Team tut sich schwer die Aufgabe zu lösen und wird genervt, angestrengt und unfreundlich miteinander. „So schwer kann das doch nicht sein, mal eine Karte einfach zu beschreiben!“, oder „Oh Mann, das hast du jetzt schon zum dritten Mal so gesagt, geht’s auch mal anders?“, sind dann Sätze, die der Trainer zu hören bekommt. Für das Team ist es ein anstrengender Prozess, der am Ende oft nicht zum gewünschten Erfolg führt, was dann aber der Auslöser ist, dass die Teammitglieder in den Zustand der bewussten Inkompetenz kommen. Auf einmal merken sie, dass ihnen eine vermeintlich leichte Aufgabe, nicht gelingt. Wenn dann die Art der Kommunikation reflektiert wird, stellt sich meist schnell heraus, dass sie gleich, bzw. ganz ähnlich ist, wie im Alltag auch. Da es sich nicht gut anfühlt nicht erfolgreich gewesen zu sein, erfährt das Team eine intrinsische Motivation dies zu ändern. Sie wollen es schaffen und beginnen oft schon ganz von alleine, die Schwachstellen zu besprechen. Für den Trainer ist es ein guter Einstieg, um nun über die Kommunikationsmodelle zu sprechen und damit das eigene Verhalten des Teams mit den Modellen in Verbindung zu bringen und an Lösungsstrategien zu arbeiten.

Was meinen Sie? Welcher Trainer wird schneller und nachhaltiger für Veränderung sorgen?

Bewusst inkompetent und jetzt?

Aus dem Beispiel geht hervor, dass wir in der Lage sind, Menschen innerhalb eines geschützten Rahmens (Seminarraum) damit zu konfrontieren, dass sie nicht so gut performen, wie sie vielleicht bis dato dachten. Im oben genannten „Fall“ ging es um Kommunikation, aber auch Themen wie u.a. Vertrauen, Teamfähigkeit, Führung oder Interkulturelle Kompetenzen, können auf diese Weise für die Menschen sichtbar gemacht werden. Um nun den Prozess weiter zu führen ist es wichtig, dass der geschützte Raum dafür erhalten bleibt. Dass das Team miteinander an einer Lösung arbeiten kann und diese auch innerhalb des Geschützen Rahmens ausprobieren darf. Doch dazu mehr beim nächsten Artikel „Wie entstehen Kompetenzen? 2 von 4“

Ihr Bildungssurfer Daniel Stanislaus